25. - 29. August 2021
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NEUER SPANISCHER
DOKUMENTARFILM


Wir freuen uns sehr, dieses Jahr, neben der stets erfolgreichen Reihe italienischer Filme, in Freistadt ein weiteres Tor zu einem spannenden europäischen Filmland öffnen zu können. Spanien hat eine weitreichende filmische Tradition, die weit über die bekannten Namen wie Buñuel, Berlanga, Saura oder in jüngerer Zeit Almodóvar hinaus ein dynamisches und vielfältiges Filmschaffen hervorgebracht hat, das in Mitteleuropa jedoch nur wenigen bekannt ist. Dabei ist Spanien eine Filmnation, die sich in der Anzahl produzierter Filme durchaus mit Italien oder Frankreich messen kann (265 Filme 2019). 

Als besonderes Merkmal ist jedoch nicht zu übersehen, dass sich das Land kulturell nicht primär nach Europa, sondern nach dem amerikanischen Kontinent hin orientiert. Das erklärt, warum bekannte jüngere Filmemacher*innen wie Alejandro Amenabar, Isabel Coixet oder Juan Antonio  Bayona, um nur die Bekanntesten zu nennen, mittlerweile auf beiden Seiten des Atlantiks arbeiten und auch in Hollywood begehrte Talente sind. 

Bedingt durch die komplexen Verflechtungen und Auswirkungen einer tiefgreifenden Kolonialgeschichte ist also der spanische Film ohne seine enge Beziehung zu Lateinamerika, aber auch zu Nordamerika, nicht zu denken. Der rege Austausch beschränkt sich jedoch nicht nur auf zahlreiche Koproduktionen, sondern ist vor allem ein künstlerisch-kultureller Befruchtungsprozess. 

Bei den Filmen dieser Reihe handelt es sich nun um vier außergewöhnliche Exponentinnen des jüngeren spanischen Dokumentarfilmes, die einerseits bezeichnende Beispiele der Vielfalt filmästhetischer Zugänge darstellen, andererseits aber auch die historisch-sozialen und kulturellen Verästelungen Spaniens sichtbar machen.  Almudena Carracedas akribisch-emotionaler Film über den Kampf um Anerkennung der Opfer des Francoterrors EL SILENCIO DE OTROS ist ein brillantes Beispiel für das Genre des politisch engagierten Langzeitdokumentarfilmes (7 Jahre Drehzeit). Mit ihrem verblüffenden Filmhybrid MY MEXICAN BRETZEL hebt Nuria Giménez auf geniale Weise die Grenzen zwischen Fiktion und Dokumentarfilm auf. Wie Spaniens Zivilgesellschaft im Mittelmeer Flüchtlinge rettet, beschreibt die Nahost-Expertin Paula Palacios beeindruckend in ihren vom Direct Cinema inspirierten CARTAS MOJADAS.  Patricia Peréz Fernández, die zu unserer Freude auch in Freistadt zu Gast sein wird, wirft schließlich (gemeinsam mit Heidi Hassan) in ihrem hochpoetischen und feingliedrig intimen Filmessay A MEDIA VOZ brisante Fragen nach Identität und Heimat zwischen Europa und Kuba auf. 

Vier Frauen, vier Welten, vier Visionen. Unbedingt empfehlenswert.
(Günter Schwaiger & Julia Mitterlehner)


A MEDIA VOZ IN A WHISPER

ES/FR/CH/CU 2019, 80 min, Spanisch/Französisch, OmeU, R/K/S: Heidi Hassan, Patricia Pérez Fernández, S: Diana Toucedo, M: Olivier Militon, Patricia Cadaveira

Ein autobiografischer Dokumentarfilm, basierend auf der Korrespondenz zweier kubanischer Filmemacherinnen. Seit ihrer Kindheit sind Patricia und Heidi befreundet. Ihre Emigration nach Europa trennt sie für 15 Jahre. Der Film ist eine emotionale und intime Reise und erzählt über Freundschaft, Mutterschaft und überwundene Grenzen. Ihre Geschichte widerspiegelt die Herausforderungen, Wurzeln und Lebenswege einer ganzen Generation. (Swiss Films)

Filmemacherin Patricia Pérez Fernández wird beim Festival zu Gast sein.

Two filmmakers, friends since childhood and both part of the Cuban diaspora, share their intimate journey while they try to find themselves and each other in a foreign land.

PATRICIA PÉREZ FERNÁNDEZ
* 1978, 2002 Abschluss an der Internationalen Filmschule von Kuba. Lebt und arbeitet in Spanien, als Regisseurin und Cutterin. Aktiv im Vorstand von DOCMA (Spanischer Verband der Dokumentarfilmer*innen).

HEIDI HASSAN
* 1978, 2002 Abschluss an der Internationalen Filmschule von Kuba, 2008 Abschluss in Filmregie in Genf. Neben Regieprojekten als Kamerafrau tätig


FR 27. 8., 17.00, KINO 1 - Q&A im Anschluss
SA 28. 8., 14.45, KINO 3 - Q&A im Anschluss


CARTAS MOJADAS

ES 2020, 81 min, mehrsprachig, OmeU, R: Paula Palacios, B: Paula Palacios, K: Amine Belhouchat, Taha Jawashi, Mikel Konate, S: Virginie Véricourt, Juia Juániz, María Macías, M: Mariano Marín

Tausende Menschen überqueren jedes Jahr das Mittelmeer, in der Hoffnung Europa zu erreichen. Der Film zeigt die grausame Realität, der Flüchtlinge ausgesetzt sind: Vom Rettungsschiff „Open Arms“ und dem dramatischen Versuch über 500 Menschen vor dem Ertrinken zu retten, weiter auf die Straßen von Paris, wo Polizeigewalt gegen Migrant*innen die Härte der Flucht fast unbedeutend macht, und schließlich an Bord eines Bootes der libyischen Küstenwache und in libysche Lager, wo Menschen misshandelt und versklavt werden.

Thousands of people have crossed the Mediterranean Sea these years trying to reach Europe. Following written letters the film tells the most tragic years of European contemporary history.

PAULA PALACIOS
* 1983 in Madrid, arbeitet in Madrid und Paris. Mehr als 25 Dokumentarfilme fürs Fernsehen. Fokus auf Migration und feministische Themen. CARTAS MOJADAS ist ihr erster Kinofilm.


DO 26. 8., 18.30, KINO 1


MY MEXICAN BRETZEL

ES 2019, 74 min, Englisch, OmeU, R/B: Nuria Giménez, K: Frank A. Lorang, S: Cristóbal Fernández, Nuria Giménez

Zurückhaltend und mit feinem Humor entwickelt Nuria Giménez Lorang mithilfe von betörendem Archivmaterial und schonungslosen Tagebuch-Zitaten in MY MEXICAN BRETZEL die Geschichte eines Paares. Sie beginnt im Zweiten Weltkrieg in der Schweiz, führt in die boomende Pharmaindustrie der USA und verspricht Abstecher nach Malta und Mallorca. Dabei folgt der Film Aufnahmen, die nach und nach als Homevideos von Leon zu erkennen sind. Dessen Frau Vivian bietet uns jedoch mit Zitaten aus ihrem Tagebuch eine völlig andere Perspektive auf dasselbe Geschehen. In der sehr eleganten Montage fügt sich so die Erzählung einer westeuropäischen Ehe zusammen, die zwischen alten Geschlechterrollen, Wirtschaftswunder und Emanzipation viele Interpretationsmöglichkeiten der Vergangenheit durchscheinen lässt. (Filmfestival Mannheim Heidelberg)

A personal reflection exploring love, desire and death, using home movies shot by the director’s grandfather and fleeting snippets of sound to tell the story of Vivian Barrett, a wealthy Swiss woman, from the 40s through 60s.

NURIA GIMÉNEZ LORANG
*1976 in Spanien. Studierte Journalismus, Internationale Beziehungen und Dokumentarfilm. Im Anschluss besuchte sie Filmseminare von Regisseur*innen wie Virginia García del Pino, Wang Bing und Stephen Frears. 2017 erschien ihr erster Kurzfilm KAFENEIO. MY MEXICAN BRETZEL ist ihr erster Langfilm.


DO 29. 8., 11.00, KINO 3


EL SILENCIO DE OTROS THE SILENCE OF OTHERS

ES/US 2018, 96 min, Spanisch, OmeU, R/K: Almudena Carracedo, R: Robert Bahar, S: Kim Roberts, Ricardo Acosta, M: Leonardo Heiblum, Jacobo Lieberman

Dass sein Peiniger nur wenige Meter von ihm unbehelligt lebt, kann und will José Galante nicht verstehen. Maria Martín kämpft dafür, dass die Gebeine ihrer Mutter aus dem Massengrab exhumiert und neben denen ihres Vaters bestattet werden. Da jedoch das 1977 von einer großen Mehrheit des spanischen Parlaments beschlossene Amnestiegesetz nicht nur die Freilassung aller politischen Gefangenen garantierte, sondern auch jegliche Strafverfolgung der unter Franco stattgefundenen Diktaturverbrechen verbot, bleiben viele Gräueltaten bis heute unaufgeklärt. 

Über einen Zeitraum von sechs Jahren sprachen die Filmemacher mit Opfern, Angehörigen und Menschenrechtsanwälten über deren langjährigen Kampf um Schuldeingeständnisse und eine Aufhebung des Amnestiegesetzes.

THE SILENCE OF OTHERS reveals the epic struggle of victims of Spain's 40-year dictatorship under General Franco, who continue to seek justice to this day.

ALMENUDA CARRACEDO
* 1972 in Madrid. Startete ihre Karriere in den USA, wo sie als Regisseurin und Produzentin ihren Debütfilm, den Emmy-prämierten Film MADE IN L.A., gemeinsam mit Bahar realisierte. 

ROBERT BAHAR
* 1975 in Philadelphia, USA. Filmstudium an der University of Southern California. Der Filmemacher, Produzent und Autor lebt und arbeitet in Madrid und New York.


SA 29. 8., 19.00, KINO 3

 

DER NEUE HEIMATFILM #34